In Deutschland werden zwischen 30 und 40% aller Ehen geschieden. Eine Scheidung ist nicht nur eine persönliche Krise, sondern hat tief greifende Konsequenzen für die finanzielle Situation der ehemaligen Eheleute. Der gemeinsame Besitz einer Immobilie birgt zusätzliche Risiken. Die Betroffenen müssen sich daher mit der Frage befassen, was mit der gemeinsamen Immobilie geschehen soll.
Da die Eigentumsverhältnisse in jeder Familie anders sind, wird nachfolgend nur ein typischer Beispielfall geschildert:
Beide Ehegatten hatten zu Beginn der Ehe kein Vermögen. Erst später wird gemeinsam ein Haus gebaut bzw. gekauft. Beide Ehegatten sind je zur Hälfte im Grundbuch eingetragen. Beide Ehegatten haben die Darlehensverträge zur Hausfinanzierung unterzeichnet. Die Ehefrau arbeitet nur in Teilzeit und betreut die schulpflichtigen Kinder. Der Hauptverdiener ist der Ehemann, der bisher die Darlehensraten von seinem Gehalt bezahlt hat . Der Ehemann zieht wegen der inzwischen unerträglich gewordenen Ehestreitigkeiten aus. Die Ehefrau möchte mit den Kindern im Haus wohnen bleiben, verlangt Kindes- und Ehegattenunterhalt und der Ehemann soll weiterhin die Schulden bedienen. Der Ehemann wendet ein, dass er Unterhalt und Schulden nicht bedienen kann. Das Haus sei für Frau und Kinder viel zu groß und zu teuer. Er möchte sich eine eigene Wohnung vom Hauserlös kaufen oder selbst wieder einziehen, wenn er schon die Schulden bezahlt.
Hier stellen sich bereits ab der Trennung bzw. spätestens ab der Scheidung eine Vielzahl von Fragen:
- Welcher Partner zieht aus der gemeinsamen Wohnung aus?
- Bei welchem Elternteil bleiben die Kinder?
- Kann ein Ehegatte verlangen, dass ihm die Ehewohnung zur alleinigen Nutzung durch das Familiengericht zugewiesen wird, obwohl er kein bzw. nur hälftiges Eigentum an der Immobilie hat?
- Wer trägt die Hauslasten? Derjenige, der die Immobilie bewohnt oder evt. der finanzstärkere Partner, der ausgezogen ist?
- Wann und in welcher Höhe kann ein Ehegatte vom anderen Ehegatten einen finanziellen Ausgleich für die von ihm geleisteten Darlehensraten verlangen, wenn die Immobilie gemeinsam finanziert wurde?
- Können zugleich die Darlehen bedient werden und Unterhalt für die Kinder und den Ehegatten bezahlt werden?
- Wie wird die Schuldenbelastung bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt?
- Wie wirkt sich die Immobilie wertmäßig im sog. Zugewinnausgleich aus?
- Gibt es einen Ehevertrag, der zu berücksichtigen ist?
- Wird die Immobilie an einen Dritten verkauft oder übernimmt ein Ehegatte evt. den Miteigentumsanteil des anderen Ehegatten?
- Wie kann ein Ehegatte aus den gemeinsamen Hausschulden von der Bank entlassen werden?
- Was passiert, wenn sich ein Ehegatte weigert, die Immobilie zu verkaufen?
- Können Schwiegereltern, die z.B. Geldgeschenke zum Hausbau gemacht haben, die Schenkungen zurück verlangen?
Diese Auswahl der wichtigsten Fragen macht bereits deutlich, dass eine isolierte Lösung für die Immobilie häufig nicht möglich ist. Das Schicksal der selbst bewohnten Immobilie hängt nämlich im Regelfall auch von den für den Scheidungsfall zu treffenden, familienrechtlichen Regelungen (wie z.B. Unterhalt und Zugewinnausgleich), ab.
Die gemeinsame Immobilie wirkt sich z. B. gravierend auf die Unterhaltsberechnung aus. Bei demjenigen Ehegatten, der die Raten tatsächlich leistet, werden im Regelfall die Schuldzinsen und unter Umständen auch die Tilgung von seinem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen abgezogen. Derjenige Ehegatte der die Immobilie bewohnt, muss sich das Wohnen im eigenen Haus als Einkommensvorteil anrechnen lassen, da er sich Miete erspart. Je nach Konstellation der Einkommensverhältnisse, kann dies z.B. dazu führen, dass der unterhaltspflichtige Ehegatte, der im Haus wohnt und die Schulden zahlt wegen seines Wohnvorteils, den er fiktiv als Einkommen zugerechnet bekommt, aber nicht „im Geldbeutel“ hat, höheren Unterhalt zahlen muss, als er sich tatsächlich leisten kann. Diese Unterhaltskonstellation führt meist dazu, dass das Haus verkauft werden muss.
Es empfiehlt sich daher frühzeitig anwaltlichen Rat einzuholen, damit möglichst eine einvernehmliche Gesamtlösung gefunden werden kann.
Unabhängig von den familienrechtlichen Fragen kann jeder Ehegatte bei Miteigentum an der gemeinsamen Immobilie bereits ab der Trennung verlangen, dass die Miteigentumsgemeinschaft aufgelöst wird.
Hierfür gibt es drei Alternativen:
- Ein Ehegatte erwirbt den Miteigentumsanteil des anderen Ehegatten.
- Die Immobilie wird an eine dritte Person verkauft und der Erlös geteilt.
- Bei Weigerung eines Ehegatten die Immobilie zu verkaufen, kann der andere Ehegatte den Verkauf im Wege der Teilungsversteigerung erzwingen.
Will ein Ehegatte den Miteigentumsanteil des anderen Ehegatten übernehmen, dann muss er dem anderen Ehegatten seinen Anteil abkaufen und zwar in Höhe des Verkehrswerts. Kann der Wert nicht durch Vergleichsobjekte, Auskünfte von Banken oder Maklern festgestellt werden, wird im Streitfall häufig ein Sachverständiger eingeschaltet werden müssen.
Ist das Haus bereits schuldenfrei, muss der Kaufpreis vom Ehegatten vielleicht finanziert werden, um den anderen Ehegatten überhaupt auszahlen zu können. Häufig scheitert dann die Übernahme des Miteigentumsanteils daran, dass der Ehegatte finanziell nicht in der Lage ist, den Kaufpreis zu finanzieren und zugleich Unterhalt für gemeinsame Kinder und den Ehegatten zu zahlen.
Bestehen noch gemeinsame Hausschulden, muss geklärt werden, wer die Schuldenlast in der Zukunft trägt. Im Regelfall werden vom Ehegatten auch die Schulden mit übernommen und auf den Wert des hälftigen Miteigentumsanteils angerechnet. Der Ehegatte, der seinen Anteil überträgt, will in diesem Fall auch nicht mehr für die Schulden haften. Vereinbaren die Ehegatten nur untereinander, dass ein Ehegatte die Darlehensraten bedient, trägt der andere Ehegatte nach wie vor das Risiko, dass die Bank bei Verzug mit den Raten auch gegen den anderen Ehegatten als Darlehensnehmer vorgeht, obwohl dieser kein Eigentum mehr hat. Wegen dieses Risikos empfiehlt es sich daher, den ausgezahlten Ehegatten auch aus dem Darlehensvertrag herauszunehmen. Hierfür benötigen die Ehegatten jedoch die ausdrückliche Zustimmung der Bank. Deren Zustimmung wird jedoch häufig davon abhängig gemacht, dass die Unterhaltszahlungen zwischen den Ehegatten und evt. Zugewinnausgleichsansprüche bereits geklärt sind, um die Solvenz des auszahlenden Ehegatten beurteilen zu können.
Häufig spielt auch der Zugewinnausgleichsanspruch eine große Rolle bei der Frage, ob ein Ehegatte in der Lage ist, den Miteigentumsanteil zu übernehmen. Muss der Ehegatte, der die Immobilie übernehmen will, daneben einen Zugewinnausgleich an den anderen Ehegatten zahlen, dann muss dieser Betrag eventuell zusätzlich finanziert werden. Das finanzielle Problem die evt. neu aufgenommenen und die alten Schulden tilgen zu müssen und zugleich Unterhalt zahlen zu müssen, wird dann noch verstärkt. Muss der andere Ehegatte einen Zugewinnausgleich zahlen, dann kann der Zugewinnausgleichsanspruch auf seinen Kaufpreis angerechnet werden, so dass der Miteigentumsanteil „billiger wird.
Die Scheidungsanwältin wird daher versuchen, möglichst schnell eine Gesamtlösung zu finden. Dies geschieht häufig dadurch, dass beim Notar nicht nur die Eigentumsübertragung, sondern auch gleich die Regelungen zum Unterhalt, zum Zugewinnausgleich und sonstigen Ausgleichsansprüchen mit beurkundet werden. Eine solche vertragliche Lösung erspart zeit- und kostenintensive Klagen in Sachen Unterhalt und Zugewinn und beschleunigt das Scheidungsverfahren, wenn die Vereinbarung bereits mit dem Scheidungsantrag eingereicht wird.
Gerade bei der bislang klassischen Rollenaufteilung, bei der die Ehefrau wegen der Kinderbetreuung nur in Teilzeit bzw. nicht erwerbstätig ist, führt die Unterhaltsbelastung häufig dazu, dass das gemeinsame Haus nicht gehalten werden kann. In diesem Fall empfiehlt es sich, dass die Ehegatten das Haus gemeinsam bestmöglich verkaufen und den Erlös nach Abzug evt. Schulden entsprechend ihrer Miteigentumsanteile teilen.
Was kann jedoch ein Ehegatte tun, wenn der andere Ehegatte partout nicht verkaufen will und jedes Kaufpreisangebot mit dem Argument, dass der Preis zu niedrig sei, ablehnt? Häufig werden Verzögerungstaktiken praktiziert, wenn es für einen Ehegatten eher vorteilhaft ist, möglichst lange im Haus zu leben und gleichzeitig Unterhalt zu beziehen. In diesem Fall kann der andere, ausgezogene Ehegatte nur im Klageverfahren erzwingen, dass die Teilungsversteigerung der Immobilie erfolgt. Beide Ehegatten können in der Teilungsversteigerung mit bieten. Diese Lösung ist aber für beide Ehegatten wirtschaftlich nachteilig, da das höchste Gebot in der Teilungsversteigerung normalerweise nicht den wahren Wert der Immobilie erreicht wie bei einem privaten Verkauf. Bei einem sehr hohen Finanzierungsanteil mangels Eigenkapital könnte es sogar passieren, dass das Gebot die Schulden nicht deckt und beide Ehegatten für die restlichen Hausschulden haften ohne jede Immobiliensicherheit.
Fazit: Jede Familie benötigt ab Trennung eine maßgeschneiderte Lösung, insbesondere dann, wenn Miteigentum an einer Immobilie besteht. Rechtlich möglich ist es zwar auch, dass beide Ehegatten Eigentümer der Immobilie bleiben und nur eine Regelung über Nutzung und Kosten treffen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass ein klarer rechtlicher und finanzieller Schlussstrich in allen Angelegenheiten für beide Ehegatten die bessere Wahl ist.